Montag, 30. Dezember 2013

Cholera-Epidemie von 1892 und Hamburger Trinkwasser

 „Ein wirres Durcheinander der mannigfachsten Lebewesen“ sei das Hamburger Leitungswasser, schrieb 1885 ein Zoologe. Der Titel seines Aufsatzes: „Die Fauna der Hamburger Wasserleitung“.


Cholerabaracke (Hamburg,1892)
Das Leben im Wasser hat aber im Sommer 1892 Tausende von Leben gekostet, wenn Hamburg eine unvorstellbare Cholera-Epidemie erlebte, die auch der letzte große Ausbruch der Cholera in Deutschland war ... Es war zwischendurch so schlimm, dass wegen der im August angefangenen Epidemie manchmal täglich hunderte von Menschen starben.* In ein paar Monaten waren ca. 17 Tausend Menschen erkrankt und ca. 9 Tausend davon hatten ihr Leben verloren.

Die fürchterliche Höhe dieser Zahlen liegen auch daran, dass der Senat zuerst mit seiner Angst vor wirtschaftlichen Verlusten verweigert hatte, die Epidemie offiziell einzustehen.



Robert Koch, um 1900
Dass die wissenschaftliche Kenntnisse über diese Krankheit auch relativ frisch und daher noch bestritten waren, hatte auch die Ergreifung der richtigen Maßnahmen verzögert.

Das Cholera-Bakterium wurde erst acht Jahren vor der Hamburger Epidemie von Robert Koch entdeckt. Der Entdecker, damals Direktor des Berliner Hygienischen Instituts, wurde mit der Ausbruch der Epidemie sofort von der preußischen Gesundheitsminister nach Hamburg geschickt, wo er auch in den 1860er als junger Arzt am Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg gearbeitet hatte. -  Man vermutet freilich im Nachhinein, dass das lebhafte Trinkwasser der Hansestadt seine Karriere vom Arzt zum Begründer der Bakteriologie befördert hat.


Koch kommentierte im Angesicht der Lebensbedingungen in den armen Arbeiter-Vierteln der Stadt schockiert folgendermaßen:
„Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Anstekungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, [...]. Meine Herren, ich vergesse, dass ich in Europa bin.“


Wie konnte aber in dieser wohlhabenden Stadt so was passieren?

Sechs Jahre nach dem Großen Brand von 1842 hatte ja Hamburg die erste zentrale staatliche Wasserversorgung in Europa bekommen. Ein lebenswichtiger Dienst, der bis dahin privat wirtschaftlich geleistet wurde.

Die Qualität des Wasser aus der Elbe, das in die Häuser durch dieses System geleitet wurde, war allerdings schon längst fragwürdig. - Die große Stadt Hamburg hatte nämlich 1892 noch keine Filteranlage für ihr Trinkwasser.



Gängeviertel 1893
Dazu kommt auch selbstverständlich Hamburgs schlechte Wohnverhältnisse: 90 Prozent der Toten stammten letztendlich aus den anrüchigen Gängevierteln, wo die Elend nur mit dem Armut in Konkurrenz war.

Im Vergleich war ja die Cholerasterblichkeit zum Beispiel an der reichen Außenalster nur 1 Prozent.

Auch in der kleineren Preußischen Nachbarstadt Altona wurde kaum jemand krank, weil Altona schon seit 1859 eine Sandfilteranlage und damit sauberes Trinkwasser hatte.


Nicht zuletzt kommen auch die wirtschaftliche Interessen ins Spiel:

Der Bau einer Sandfilteranlage soll eigentlich auch in Hamburg spätestens seit 1873 ein Thema in der Stadtpolitik sein. Der Senat lehnte es aber mit ihrer Sicherheit über "die Bekömmlichkeit des Elbwassers" ab. Dass die Realisierung dieses Projekts sich immer weiter verzögert hat, lag sicherlich nicht am mangelnden Mittel. Letztendlich als eine Filteranlage den Herren Hamburgs kostspielig schien, liefen riesen Bauprojekte der Speicherstadt, des Rathauses und großer Hafenanlagen auf Hochtouren. In der Verschiebung der Priorität spielten gewiss auch die Interessen der Hersteller von Hauswasserfiltern eine Rolle; allerdings nur wenige Haushälte konnten sich so eine Filter leisten.



Arbeiter beim Bau der Filtrationsanlage
im Wasserwerk Kaltehofe
Die wohlhabende Herrschaften, die auch die Stadt-Verwaltung in ihrer Kontrolle hatten, mussten anscheinend vor einem sozialen Handeln so lange warten, bis eine 'Hand-gemachte' Katastrophe Tausende von Leben kostete ... Endlich der Epidemie folgend wurde der Bau der Filteranlage auf der Elbinsel Kaltehofe geschwind fertiggestellt, die im Mai 1893 in Betrieb kam. - Wie sozial das Motiv hinter diesen eiligen Handlung war, ist eine andere Frage ...

Was Hamburg ausmacht ist selbstverständlich mit der Kaufmannschaft der Stadt sehr eng verbunden. Die Kehrseite der Kaufmannschaft der Hamburger Pfeffersäcke hat allerdings 'einiges' in dieser Stadt zum Opfer gebracht und bringt immer noch, was nicht wirklich unvermeidbar war und ist ...

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* So sehen die Zahlen der schlimmsten Woche der Epidemie in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht aus:


Datum erkrankt gestorben
28. August 1028 428
29. August 980 393
30. August 1081 484
31. August 857 395
1. September 842 394
2. September 810 479
3. September 780 440
Zweite Woche 6378 3013

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Wörterbuch: Kuddelmuddel (Kuddlmuddl)

Kuddelmuddel (Kuddlmuddl): Chaos, Unordnung, Durcheinander

"Kuddelmuddel, nix in Büdel!" - Eine Variante der Redewendung "Viel Lärm um nichts!"

Büdel: Beutel
Buddel
: Flasche

Sonntag, 22. Dezember 2013

Die schöne Marianne

Die schöne Marianne
(1827)
Heinrich Heine listet in seinem Buch 'Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski' (1834) zehn Hamburger Merkwürdigkeiten auf, zu denen als die Dritte nach dem Rathaus und der Börse auch die schöne Marianne gehört, "ein außerordentlich schönes Frauenzimmer, woran der Zahn der Zeit schon seit zwanzig Jahren kaut."

Eimsbüttel, damals ein kleines Dorf vor den Toren Hamburgs, wurde Dank Mariannes Schönheit ein beliebter Ausflugsort. Der zeitgenössische russische Schriftsteller Nikolai Gretsch schrieb, "In Hamburg und nicht bei Marianne gewesen zu sein, ist das Gleiche wie in Moskau gewesen zu sein und die große Glocke nicht gesehen zu haben."



Der Gedenkstein
(Foto: bk)
Im frühen 19. Jahrhundert brach offenbar ein famoser Mariannenkult aus, den ich allerdings um fast zwei Jahrhunderte verpasst habe ... Genau seit einem Jahr wohne ich in Eimsbüttel und erst heute bin ich dazu gekommen, den Gedenkstein für die "schöne Marianne" zu besuchen. Das wenigstens musste ich tun ...

Die schöne Marianne, geboren 1802 als Johanna Maria Caroline Ruaux, war die Tochter einer französischen Emigranten-Familie. Bereits als Jugendliche hat sie in der Familenwirtschaft "Mariannenruh" in Dänisch-Eimsbüttel gearbeitet. Die schöne Wirtstochter war die große Attraktion dieses kleinen Gasthauses, ab 1824 führte sie das dann bereits sehr bekannte Ausflugslokal selbst.

Der Andrang war an Markttagen so groß, dass man Eintrittsgeld verlangen konnte. Eine Menge von Verehrern erschien mit Gedichten und Heiratsanträgen. Es mussten sogar Polizisten für Ordnung sorgen. 


Marianne führte ein züchtiges Leben und wies ihre Verehrer tugendhaft zurück, sagt man, - wenigstens bis 1831, als sie ihre uneheliche Tochter Emilie auf die Welt brachte. Der Vater soll ein junger Mann aus einer guten Hamburger Kaufmannsfamilie gewesen sein, der vor der Geburt entfloh.


1831 war damit auch der Jahr, in dem der 'Mariannenkult' endete. Marianne betrieb danach noch weitere Lokale, allerdings ohne Erfolg.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

Kurz über Hamburgs Stadtteile: Eimsbüttel (1)

Ich fange die Rubrik 'Kurz über Hamburgs Stadtteile' gerne mit meinem jetzigen Wohnort Eimsbüttel an...

Eimsbüttel, heute ein beliebtes Wohnviertel Hamburgs, war Anfang des 19. Jahrhunderts ein kleines Dorf mit ein paar Hundert Bewohnern. Er wurde 1813/14 während der französichen Besatzung zerstört und niedergebrannt.

Der erste Pferde-Omnibus fuhr im Sommer 1840 von Hamburg nach Eimsbüttel, aber er blieb noch zwei Jahrzehnten außer Hamburgs Tore, die abends um 18:00 schließen und bis zum nächsten Morgen zu blieben.

Mit der Aufhebung der Torsperre 1861 fing erst Eimsbüttels Verwandlung von einem Dorf zu einem Wohnviertel Hamburgs an.

Und in den letzten Tagen von 2012 bin ich in meiner jetzigen Wohnung auf dem Eppendorfer Weg eingezogen. :-)

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Wörterbuch: "daddeldu"

daddeldu(i) fertig, beendet; (ii) alles in Ordnung
Vor allem in Arbeiterkreisen (insbesondere in der Hafensprache) sagt man gegen Ende einer Arbeit manchmal einfach "So, nu is daddeldu" anstelle von "Genug für heute, wir können Schuß machen." [engl.: that will do - das genügt]

Dienstag, 17. Dezember 2013

Nach fünf Jahren...

Es ist inzwischen fünf Jahren her, dass ich nach Hamburg gekommen bin. Als ein Izmirer, ein am-Wasser-Geborener, fand ich eine neue und wunderschöne Heimat in Hamburg, in der ich seit dem ersten Tag zu Hause bin und mich wohl fühle ... Das Wasser, der Hafen, die Schiffe und die Möwen, die alle mir in den vorherigen sieben Jahren in Ankara fehlten, sind wieder zurück zu meinem Leben gekommen, in ihrer 'Hamburger' Art ...


Hier erwartet Euch kleine Beitäge von mir über 'mein' Hamburg, über ihre Sprache, Geschichte, Orte, Literatur, usw.  . . .