Mittwoch, 19. März 2014

ABATON: Eine Institution in Hamburg




Wenn man in Hamburg Interesse an Kino hat, und zwar bloß ein Tick jenseits der Blockbusters, dann kennt man das Abaton-Kino schon. Und wenn man - wie ich - fast jeden Tag im Pferdestall am Allende-Platz ist, ist diese Bekanntschaft einfach unvermeidbar ...



Die Garage (1920)
Das Gebäude, in dem sich heute das Kino befindet, wurde 1912 eben als eine Weiterbau des Pferdestalls für die Automobiles aufgebaut, und gehörte ebenfalls dem Luxusfuhrgeschäft von J.A. Schlüter.

Dass das Abaton-Kino unmittelbar am Pferdestall liegt, ist aber nicht der einzige Grund, warum es auch von mir das meistbesuchte Kino Hamburgs ist: Es kommt eher daher, dass das Abaton immer wieder was Gutes zum Anbieten hat; und gewiss spielt es auch eine wichtige Rolle, dass im Abaton die ausländische Filme Original mit Untertiteln laufen, was ja in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. 


Allende Platz (1970)
Diese Qualitäten entsprechen auch den Ausgangsideen seiner Gründer, Regisseur Werner Grassmann und Anwalt Winfried Fedder, die das Abaton 1970 als ein Programm-Kino eröffnet haben.* 

Der erste Film, der im Abaton-Kino gezeigt wurde, war "Monterey Pop"; mit einem einheitlichen Kartenpreis von 3 DM. Mit seiner Eröffnung nicht nur Hamburg, auch Deutschland eine wichtige Kulturinstitution gewonnen, das mit seiner Lage und seinen Preisen immer gut erreichbar blieb. - Ein Besuch ins Abaton ist im Vergleich günstiger als vielen anderen Kinos. Auch ein Tipp für die Kinoliebhaber: Mittwoch ist Kinotag im Abaton!

Der Name steht aber lustigerweise im Widerspruch mit der Mission: "Abaton" (von griechischen άβατος - unzugänglich) ist nämlich 'ein für die Öffentlichkeit unzugänglicher Ort', obwohl das Kino seine Türen seit mehr als 40 Jahren gerne für die Gäste öffnet, sogar extra geschmückt mit Werner Nöfers Wandmalereien aus 1970. - Der Legende nach ist der Name eher aus einer praktischen Grund ausgesucht, dass das Kino damit in alphabetischen Listen immer einen Platz an erster Stelle finden kann.


Der Konkurrenz im Grindel war mal früher schon größer!

 

Thalia Lichtspiele (1939/40)
Grindelallee 116
Die andere Traditionkinos dieses Viertels sind aber inzwischen leider verschwunden. Die ehemalige Thalia Lichspiele war sogar das älteste Kino Hamburgs, ein Vorstadtkino aus dem Jahre 1912. Sie hat Ende 1994 seine letzte Vorführung gemacht. Nachdem das Haus 1997 abgerissen wurde, zog im Juli 1998 u.a. ein Budnikowsky ins neugebauten Immobilie.


Grindel-Kino (1963)
Grindelberg 7a
Das Grindel-Kino, das 1959 gegründet war, konnte schon länger aushalten. Es hatte auch lange die größte Leinwand Hamburgs und Platz für mehr als 700 Gäste, und war technisch sehr modern ausgestattet. Durch eine Dauer-Krise Anfang 2000ern kam aber auch seine Gesichte zu Ende. Seine letzte Vorführung war Ende März 2008, nur sechs Monate vor meiner Ankunft nach Hamburg. Die Nachfolge ist wie gewohnt: ein Abriss und die Aufbau einer neuen Immobile, traditionell nach Hamburger Art. - Lieber Herr Alfred Lichtwark (1852-1914) hatte nicht umsonst Hamburg „Freie und Abrissstadt“ genannt.

Heute befindet sich nur noch ein Cinemaxx-Koloss am Dammtor außer des Abaton-Kinos in dieser Gegend, und als eine Hamburgische Institution ist das Abaton das einzige Kino hier mit einer Geschichte und mit einem charmanten Charakter.

Es geht übrigens nicht immer um die ernsthafte Kunst im Abaton, sondern auch um ein gutes Lachen: Wir besuchen heute, zum Beispiel, Wes Andersens Grand Budapest Hotel, und ich freue mich schon sehr darauf! :-)

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* In vielen Reiseführer und anderen Bücher wurde behauptet, dass das Abaton auch das erste Programm-Kino Deutschlands sein soll. Allerdings ist diese Information schon umstritten. Die Angabe in der Seite des Abatons helfen wenig, weil man da im ersten Satz den bescheideneren Ausdruck "eines der ersten" liebt, obwohl der nächste sagt, dass das 'Programmkino' hier erfunden worden sei. In Konkurrenz steht das Bremer Kino, Cinema im Ostertor.

Sonntag, 16. März 2014

Der Currywurst-Bach - Carl Philipp Emmanuel

Carl Philipp Emanuel Bach
(1714 - 1788)
Man hört gerade viel über einem gewissen "Hamburger Bach" – Wer soll das sein?

Johann Sebastian Bach ist es nicht, an den man sofort denken würde. Nein, sein zweiter Sohn Carl Philipp Emanuel ist diesmal derjenige, der im Rampenlicht steht. Man feiert 2014 sein 300. Geburtstag. Dabei geraten Hamburg und Berlin sich wieder einmal in die Haare, ob er nun wirklich Hamburger ist oder doch Berliner – man führt also einen neuen Currywurst-Krieg, diesmal auf der Ebene der Hochkultur.

Ein Sohn der Stadt ist er weder hier noch dort – der Herr ist in Weimar geboren. Und macht es sowieso überhaupt so viel aus, wo man geboren ist? Im Fall von C.P.E. Bach wohl kaum. Seinen Geburtsort Weimar verließ er mit gerade einmal drei Jahren, nach sechs Jahren in Köthen zieht er schon mit seinem Vater weiter nach Leipzig. Erst 1741 kam er nach Berlin, mit einer Feststellung als Konzertcembalist in der Hofkapelle. Für dieses Instrument hatte er eine besondere Vorliebe, er schrieb ungefähr 200 Werke dafür   – ein Fünftel aller seiner Kompositionen. 

Das Cembalo stand auch im Mittelpunkt eines schönen Konzertes, das mich in dieser Woche der Kunst dieses Bach näher gebracht hat. Nebenbei entdeckte ich einen netten Saal in einer der schönsten Ecken Hamburgs: den Lichtwarksaal der Carl-Toepfer-Stiftung im Komponisten-Viertel in der Neustadt, benannt nach Alfred Lichtwark. Dort spielten Menno von Delft (Cembalo) und Simone Eckert (Viola da Gamba) ein paar ausgesuchte Werke.

Hamburger oder Berliner?

Mit Bezug auf seinem langen Aufenhalt in Berlin behauptet man, dass er der "Berliner Bach" sei. Doch was spricht für den "Hamburger Bach"?

Die Hamburger hätten sich eigentlich diese ganze Diskussion sparen können: Hätten sie 1720 die Bewerbung Johann Sebastian Bachs als Organist für St. Jacobi angenommen, wäre der Sohn mitgekommen und vielleicht nie "Berliner" geworden. "Man lehnte ihn [Johann Sebastian Bach] ab", schreibt der Autor Kurt Grobecker, "weil der kindereiche Musiker den geforderten Einstand für die Armen-Kasse [...] nicht bezahlen konnte."

Hätten sich die Hamburger Pfeffersäcke damals wirklich Gedanken um die Armen gemacht, würde ich diese Entscheidung ja begrüßen. Ich fürchte allerdings, dass sie eine andere Rechnung hatten. Mit dem zukünftigen Erfolg des damals noch sechsjährigen Sohnes konnte aber niemand rechnen. Tja ... Der arme Carl Philipp Emanuel musste also nur deswegen einen Umweg über Berlin machen, bevor er endlich nach Hamburg gelangte.

Sein Pate, der berühmte Barock-Komponist Georg Philipp Telemann siedelte schon 1721 nach Hamburg um. Am Anfang hatte er es nicht leicht, aber als er die Stadt wieder verlassen wollte, haben die Hamburger sich bemüht, ihn da zu behalten, was ihnen gelang. In den 1730ern wurde er immer beliebter und spielte eine zentrale Rolle in der Hamburger Musikszene.

Ein Jahr nach Telemanns Tod 1767 kam sein Patensohn Carl Philipp Emanuel als sein Nachfolger nach Hamburg und wurde Städtischer Musikdirektor. So ging also die Geschichte weiter ...

Dass Carl Philipp diese Stelle annahm, und dass er dann bis zum Ende seines Lebens in Hamburg blieb, sind zwei klare Argumente dafür, ihn den "Hamburger Bach" zu nennen – das finde ich schon mal überzeugend. Und während er sich vom Berliner Hofleben allmählich distanziert hatte, gehörten die Hamburger Bürgermeister Hans Jacob Faber und Jacob Schuback zu seinem Freundeskreis.

Ok, er war in Hamburg vielleicht nicht so populär wie sein Pate Telemann, aber die Hamburger haben ihn doch ins Herz geschlossen, sogar für ewig mit seinem Begräbnis im Gruftgewölbe der St.-Michaelis-Kirche. - Dass sie auf dem Grab des beliebten Herrn Telemann das Rathaus gebaut haben, ist allerdings eine andere Geschichte, dazu kommen wir vielleicht auch noch irgendwann.

Fazit?

Hier:

Glückwunsch zum 300. Geburtstag, Hamburger Bach!

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Am 25. März gibt es ein anderes Barock-Konzert in Lichtwarksaal, falls jemand vorbeischauen mag: "Amouröses zum Geburtstag" (Mit Werken von Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Gabriel Voigtländer)